Sonntag, 30. November 2008

Delegieren

Die klassische Situation am Bahnhof. Frau und Riesenkoffer. Wahrscheinlich fährt die Dame ja nur auf ein Abendessen zu Ihrer Freundin in der nächsten Stadt, aber mit dem Koffer könnte eine arabische Handelskarawane den halben Bazar in Bagdad auf einmal beliefern. Und so stehen sie dann mit Ihrem "man-muß-ja-vorbereitet-sein-Handtäschchen" vor der Treppe. Das ist in etwa so als wenn eine Katze vor einer Europalette Sheba sitzt und du sehen kannst wie sie darüber nachdenkt wie sie jetzt die Beute ins Körbchen schafft. Nun, ist das Mädel hübsch, findet sich ein Gentleman der tragen hilft, ist sie es nicht, hat der lieber Gott ja noch Aufzüge erfunden oder einfach den Schweiss.
Nun, da war sie also die klassische Situation. Eine schöne Frau in der grade üblichen Wintertracht. Zwei schöne Beine in Leggins, ein knappes Miniröckchen, hübsches Oberteil. Nein wirklich, eine echte Augenweide. Und ein gigantischer Koffer. Ein hilfloser Gesichtsausdruck. Und schon fand sich ein Gentleman. Ich stand etwa 2 Meter entfernt und zündete mir grade im rauchfreien Bahnhof eine Zigarette an und konnte beobachten wie der freundliche junge Mann nach Sichtung der schicken Schenkel in den hübschen Schnürrstiefeln ein freundliches Lächeln aufsetzte und fragte ob er helfen konnte. Sie schenkte ihm ein tausend-Watt-Lächeln und nickte. Dem armen Tropf kamen glaub ich die ersten Zweifel über die Gutheit seiner Tat, als er den Koffer locker anhob und sein Lächeln einen gequälten Ausdruck bekam. Der Koffer war wohl scheisse schwer. Aber gut, er hatte sich selber ja bestens Schachmatt gesetzt und konnte jetzt ja wohl kaum einen auf Schwächling machen. Also schleppte er den Koffer die Treppe runter. Ach Gott konnte sie lächeln... Und er versuchte schon unauffällig auf dem Kofferschild ihren Namen zu erkennen und überlegte wie er in dieser Situation am besten nach ihrer Telefonnummer fragen konnte. Es kam eine weitere Treppe runter, dann zweie wieder hinauf, ein kleiner Absatz. Ich folgte dezent und hatte durchaus Achtung vor dem Fleiss des Kofferträgers, man konnte gut erkennen, das er hart an seiner Belastungsgrenze lief. Aber er war tapfer. Er wollte ganz eindeutig keinen Rückzug und noch eindeutiger die Kleine wiedersehen. Kein Wunder, das war aber auch ein lekker Dirnchen. Sie wedelte keck mit den Haaren, schaute bewundernd mit ihren blauen Augen auf Ihn. Und er schleppte, schleppte und schleppte. Ich glaube er hätte sie gerne in ein Gespärch verwickelt, aber der Atem reichte grade für ein verbissenes Lächeln. Der Bahnhofsvorplatz war ereicht, ich überholte die beiden auf dem Weg zur Taxivorfahrt. Ich konnte den Schweiss auf der Stirn des jungen Mannes verräterisch glitzern sehen. Er hatte nur Augen für sie, was ich vollkommen verstehen konnte. Er folgte ihr zum Taxistand, wahrscheinlich übte er in Gedanken wie er auf seine unschuldige Frage wo sie denn hinfahre mit einem erstaunten "Ach was, ich auch...!" antworten würde. Nun, ich gebe zu, das Mädel war auch eine bischen in einen Taxifahrer investiertes Geld wert, absolut.
Ich stand da also vor dem Taxi, sie wahren direkt hinter mit. Da dreht ich mich um, lächelte und meinte mit einem ungeduldigen Unterton in meiner Stimme:
"Schatz, kommst du jetzt endlich? Der Taxifahrer hat nicht ewig Zeit...!"

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