Dienstag, 11. April 2006

Pferde und was sonst noch Glück

Ich hab da mal eine echt hübsche Frau kennen gelernt. Nennen wir sie Susanne. Ich fragte sie, ob sie ins Kino gehen will, sie sagt ja, und wir beide verbrachten einen sehr lustigen Abend.

Ein paar Tage später lud ich sie zum Abendessen ein, und wir hatten wieder viel Spaß. Fortan trafen wir uns regelmäßig.


Eines Abends, als ich sie nach Hause fahre, schießt ein Gedanke durch Susannes Kopf und, ohne richtig drüber nachzudenken, spricht sie ihn aus: "Ist Dir klar, dass wir uns mit dem heutigen Abend seit genau 6 Monaten treffen?"


Stille.


Susanne kommt die Stille sehr laut vor. Sie denkt: "Oje, ob es ihn nervt, dass ich das gesagt habe? Vielleicht fühlt er sich durch unsere Beziehung eingeschränkt, oder er fühlt sich von mir in eine Pflichtrolle gedrängt?"


Und dachte mir: "Wow, 6 Monate."


Und Susanne denkt sich: "Moment, ich bin gar nicht sicher, ob ich so eine Art Beziehung will. Manchmal hätte ich lieber mehr Freiraum, ich werde Zeit brauchen, mir zu überlegen, ob ich so weiter machen will. Ich meine, wo führt uns das hin? Wird es immer so weiter gehen, oder schreiten wir auf eine Ehe zu? Vielleicht sogar auf Kinder? Darauf, unser restliches Leben miteinander zu verbringen? Bin ich bereit, diese Verpflichtung einzugehen? Kenne ich diesen
Menschen überhaupt?


Und dachte mir so: "Hm, das heißt, es war ... mal sehen ... Februar ... als wir anfingen, uns zu treffen, das war gleich nachdem ich das Auto beim Service hatte, das heißt ... wie ist der Kilometerstand? Au weia! Die Karre ist überfällig für einen Ölwechsel!"


Und Susanne denkt sich: "Er ist besorgt. Ich sehe es in seinem Gesicht. Vielleicht war mir nicht ganz klar, wie er die Sache sieht. Vielleicht will er mehr von unserer Beziehung, mehr Intimität, eine tiefere Bindung, vielleicht hat er, sogar schon vor mir gespürt, dass ich mich zu sehr zurückhalte. Ja, das ist es. Deswegen spricht er so selten über seine Gefühle. Er hat Angst, zurückgewiesen zu werden."


Und ich dachte: "Die sollen sich auf jeden Fall noch einmal das Getriebe ansehen. Ist mir völlig egal, was diese Deppen sagen, die Schaltung funktioniert noch immer nicht richtig. Und diesmal können sie es auch nicht aufs kalte Wetter schieben. Wir haben 30 Grad, und das Ding hier schaltet sich wie ein Lastwagen von der Müllabfuhr. Und ich habe diesen inkompetenten Gaunern 1200 Euro bezahlt.


Und Susanne denkt sich: "Er ist sauer. Ich kann's ihm nicht übel nehmen, ich wär's auch. Ich fühle mich so schuldig, ihm das anzutun, aber ich kann nichts für meine Gefühle, ich bin einfach unsicher.


Und ich denke: "Wahrscheinlich werden sie sagen, es gibt nur 90 Tage Garantie, diese Säcke!"


Und Susanne denkt sich: "Wahrscheinlich bin ich viel zu idealistisch, und warte auf einen Ritter auf einem weißen Pferd, während ich hier neben einem superlieben Menschen sitze, einem Menschen, mit dem ich gern zusammen bin, um den ich mich wirklich sorge und der sich wirklich um mich sorgt. Einem Menschen, der wegen meiner selbstherrlichen Schulmädchenfantasien leiden muss.


Und ich überlegte: "Garantie? Die reden von Garantie? Können sie haben, ich nehme ihre Garantie und stecke sie ihnen in ..."


"Stefan", sagte Susanne laut.


"Was?" fragte ich erschrocken.


"Bitte quäl dich nicht so", sagte sie, während sich ihre Augen mit Tränen füllen. "Vielleicht hätte ich niemals … Oh Gott, ich fühle mich so ...".

(Sie verstummt, schluchzt)


"Was?" fragte ich.


"Ich bin so dumm", schluchzte Susanne, "Ich meine, ich weiß, dass es nie einen Ritter geben wird. Es ist so dumm. Weder einen Ritter noch ein Pferd."


"Es gibt kein Pferd?", fragte ich leicht verwirrt.


"Du denkst auch, dass ich dumm bin, oder?", sagte Susanne.


"Nein!", sagte ich, froh, endlich eine richtige Antwort zu haben.


"Die Sache ist die ... es ist einfach so ... ich brauche ein wenig Zeit", sagte Susanne.


Es entstand eine 15-sekündige Pause, in der ich versuchte, so schnell ich konnte mit einer sicheren Antwort aufzuwarten. Endlich fiel mir etwas ein, das funktionieren sollte.


"Ja", sagte ich.


Susanne, tief bewegt, berührte meine Hand.
"Oh Stefan, denkst du wirklich so darüber?" fragte sie.


"Worüber?" fragte ich?


"Über ein wenig mehr Zeit" sagte Susanne.


"Oh", sagte ich, "Ja! Natürlich!"


Susanne drehte sich zu mir und sah mir tief in die Augen, wodurch ich schrecklich nervös darüber wurde, was sie als nächstes sagen wird, besonders, wenn darin ein Pferd vorkommen sollte. Endlich spricht sie.

"Danke, Stefan", sagte sie.


"Ich danke Dir", sagte ich mit ernstem Blick.


Dann brachte ich sie nach Hause, wo sie sich auf ihr Bett legte, eine von Konflikten geschüttelte, gequälte Seele, und bis in den Morgen weinet.


Ich fuhr nach Hause, holte mir eine Tüte Chips, drehte den Fernseher auf, und wurde schnell von der Wiederholung eines Tennismatchs zwischen zwei Russinen, von denen er noch nie was gehört hatte, in den Bann gezogen. Eine leise Stimme irgendwo in meinem Kopf sagte mir, dass heute im Auto höchstwahrscheinlich etwas wirklich wichtiges passiert war, aber er ist sicher, dass ich niemals verstehen werde, was das war, also beschloss ich, nicht weiter darüber nachzudenken.


Am nächsten Tag hat Susanne ihre beste Freundin angerufen, vielleicht sogar noch eine, und mit ihr 6 Stunden lang über die ganze Sache geredet. In sorgfältiger Detailarbeit werden sie alles was sie sagte, und auch alles was ich sagte, analysiert haben, jedes Wort, jeden Ausdruck, jede Geste, um Nuancen in der Bedeutung des gesagten zu finden, und um jede mögliche Variante durchzugehen. Das ganze wird sich wochenlang, wenn nicht monatelang hingezogen haben, ohne jemals in
einer plausiblen Schlussfolgerung zu enden, aber auch, ohne jemals langweilig zu werden.


Irgendwann während dieser Zeit habe ich, während eines Squashmatches mit einem Freund, der auch Susanne kennt, kurz innegehalten und gefragt "Peter, hat Susanne mal ein Pferd gehabt?".


Damit ist wohl der Unterschied zwischen Mann und Frau bewiesen.

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